«Wir haben einen guten Kompromiss gefunden»

März 8, 2023

Während den Sessionen im Bundeshaus befragen die FN jede Woche eine Parlamentarierin oder einen Parlamentarier der Freiburger Delegation zu einem aktuellen Thema. In dieser Ausgabe Ständerätin Isabelle Chassot (Die Mitte).

Die kleine Parlamentskammer debattierte am Dienstagmorgen über eine Revision des Sexualstrafrechts. Opfer von sexualisierter Gewalt sollen in Zukunft besser geschützt werden.

Es standen zwei Elemente im Vordergrund: einerseits die Definition der Vergewaltigung und andererseits der Jugendschutz. Wichtig war in diesem Zusammenhang das Selbstbestimmungsrecht der Personen und die Wahrung ihrer sexuellen Integrität und die Tatsache, dass sowohl Frauen als auch Männer Opfer sein können.

Bei der Definition der Vergewaltigung wird unterschieden zwischen  der Zustimmungslösung, «Nur ein Ja ist ein Ja», oder der Widerspruchslösung, «Ein Nein ist ein Nein»

Die Widerspruchslösung gilt etwa in Deutschland, die Zustimmungslösung wird in Frankreich und Schweden praktiziert. Ich persönlich habe mich für die Zustimmungslösung eingesetzt, weil Opfer von sexualisierter Gewalt ihre Ablehnung oftmals überhaupt nicht zum Ausdruck bringen können. Sie befinden sich in einer Art Schockstarre, Freezing genannt. Im Nationalrat hatte die Zustimmungslösung eine Mehrheit, im Ständerat die Widerspruchslösung. Jetzt haben wir im Ständerat einen guten Kompromiss gefunden. Es gilt die «Nein ist Nein»-Lösung, aber das Freezing soll in Zukunft als ein Tatbestandelement ins Gesetz aufgenommen werden und wird somit als Ablehnung gelten. Damit ist eine der Hauptforderungen der Anhänger einer Zustimmungslösung erfüllt. Wenn jetzt auch der Nationalrat diesem Kompromiss zustimmt, so haben wir einen Meilenstein erreicht.

Das Strafmass bei Vergewaltigung wurde auch verschärft?

Das ist eine der letzten Differenzen im Entwurf. Die Frage war, ob eine Vergewaltigung mit einer bedingten Geldstrafe bestraft werden darf. Mit der Ratsmehrheit vertrat ich die Meinung, dass es das nicht geben darf. Vergewaltigung ist der schwerste Straftatbestand im Sexualstrafrecht. Deshalb soll eine Vergewaltigung immer mit einer Haftstrafe bestraft werden

Das revidierte Sexualstrafrecht: Ständerätin Isabelle Chassot spricht von einem Meilenstein.<br />
Archivbild Corinne Aeberhard