Interpellation 22.4124

September 29, 2022

In vielen Bereichen gewinnen soziale Innovationen an Bedeutung (vgl. lp. 21.3809 Fivaz Fabien), insbesondere bei den Anbietern von Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen. In der Tat sind sehr grosse Veränderungen wie die Bevölkerungsentwicklung, die Migration, die steigende Lebenserwartung, die Digitalisierung oder die Langzeitarbeitslosigkeit gleichzeitig soziale Problembereiche, die in ständigem Wandel befinden. Sie stellen die Anbieter von Gesundheits- und Sozialdienstleistungen vor grosse aktuelle und zukünftige Herausforderungen, insbesondere bei der Unterstützung einer wachsenden Anzahl vulnerabler Personen. Die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts vulnerabler Personen und die Förderung einer umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und erfordern die Entwicklung flexibler und zugänglicher Unterstützungsangebote.

Die für die Sozial- und Gesundheitspolitik zuständigen Behörden und die Anbieter von Dienstleistungen stehen vor einer enormen Herausforderung, in Zusammenarbeit mit den Betroffenen die derzeitigen Ansätze und Modelle in der Pflege, Betreuung, Beratung und Begleitung vulnerabler Personen und Gruppen angesichts einer wachsenden und sich ständig ändernden Nachfrage anzupassen. Es geht darum, umfassendere Lösungen zu finden, einen passenden Ansatz zu fördern und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Um die erwähnten gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern, sind soziale Innovationen ebenso notwendig wie technologische: So könnte zum Beispiel mit neuen Formen der Begleitung oder der Vernetzung von Sozialdienstleistern die Lebensqualität erhalten oder sogar verbessert werden, während die Kosten unter Kontrolle bleiben. Bei der Umsetzung sozialer Innovationen stützte man sich auf Ressourcen von öffentlichen und privaten Akteuren, meist von Stiftungen. Soziale Innovationen finden in der Regel in sozialen Ansätzen (Methoden, Programme, Angebote, Leistungen, Organisationsformen) Anwendung. In der Tat handelt es sich im Gegensatz zu technologischen Innovationen selten um Produkte. Daher ist es wichtig, sie gezielt zu fördern und aktiv zu verbreiten, damit sie überhaupt Fuss fassen und neue Vorteile bringen können. Als öffentliches Gut müssen soziale Innovationen jedoch für alle interessierten Personen, Organisationen und Institutionen zugänglich bleiben.

Vor diesem Hintergrund bitten wir den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:

1. Teilt der Bundesrat die Analyse, dass wir soziale Innovationen brauchen, um jene Herausforderungen zu bewältigen, die mit der Finanzierung und der Qualität der Sozialleistungen und der medizinischen Grundversorgung verbunden sind?

2. In seiner Antwort auf die Interpellation 21.3809 Fivaz Fabien wies der Bundesrat darauf hin, dass die soziale Innovation «voraussichtlich» in der BFI-Botschaft 2025-2028 behandelt wird. Kann das der Bundesrat nun bestätigen? Und ist er bereit, dieser Problematik deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken, insbesondere, indem er den SNF und Innosuisse verstärkt unterstützt?

3. Andere Länder, zum Beispiel Deutschland, fördern soziale Innovation mit besonderen Programmen ausserhalb des üblichen Rahmens der Innovationsförderung. Ist der Bundesrat bereit, solche Programme als Ergänzung zum SNF und zu Innosuisse zu prüfen, falls deren Mandate nicht ausreichen, um soziale Innovationen angemessen zu fördern?

4. Soziale Innovationen erfordern geeignete Rahmenbedingungen. Wie kann nach Ansicht des Bundesrates die Innovationsfähigkeit von sozialen Einrichtungen und Dienstleistern der Grundversorgung bei Leistungsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand oder der Tarifierung besser einkalkuliert werden?